Zum Ende des letzten Schuljahres wurde in unserer Schule das Ende der Kreidezeit in allen Klassenzimmern angekündigt.
Auch das noch!
Weniger ist mehr - so hatte ich mich bisher den digitalen Herausforderungen langsam genähert. Immerhin stamme ich zeitlich betrachtet aus „Analogistan“, habe mein Abitur noch mit dem Rechenschieber absolviert und mein Handwerkszeug für den Unterricht waren Tafel und Kreide sowie Bücher und Hefte. Hatte ich mir nicht gerade vorgenommen, in Ruhe verschiedene Programme genauer auszuprobieren und mehr zu nutzen, weil sie die Arbeit tatsächlich bereichern? Eine Erleichterung der Arbeit bringen sie nur, wenn man sie beherrscht. Zudem will ich Zeit und Kraft grundsätzlich lieber in den eigentlichen Lernprozess als in die technischen Nebenschauplätze investieren.
Im Frühjahr wurde aus meinen Nebenschauplätzen die Hauptarena! Lernplattform – arbeite mit moodle, stelle Aufgaben, fordere Abgaben, erinnere die Schüler, halte Kontakt, informiere Kollegen und/oder Eltern, hilf bei deren Problemen, …!
Eigentlich brauche und möchte ich so wenig Technik wie möglich zwischen mir und den Schülern. Jetzt gab es nur Technik, damit überhaupt etwas geht. Für die Unterrichts-vorbereitung hieß das, jedes erklärende Wort auf Arbeitsblättern zu verschriftlichen, ohne wie im Unterricht Rückmeldungen der Schüler zu haben bzw. Inhalte gemeinsam zu erarbeiten. Einfuchsen in die Lernplattform, denn wie kommt die Aufgabe zu den Schülern? Zahlreiche Rückmeldungen, es sei nichts zu finden. Wie sieht moodle eigentlich auf der Schülerseite aus? Welche Einstellungen kann oder sollte ich ändern, damit sie alles leichter finden? Ohne Technik keine Mathematik und ohne Fleiß kein Preis. Haben die Kinder Aufgaben gelöst, das gleiche Spiel von vorn: Die Schnellbewertung macht ihre Häkchen und Kreuze zu groß und bei quer eingescannten Dokumenten passt kein Hinweis wirklich an die richtige Stelle, also lieber ausdrucken, korrigieren, Hinweise geben, einscannen, absenden, denn jeder Schüler, der sich ehrlich müht, hat eine Rückmeldung verdient! Mit gegenseitigem Feedback, Rückzug auf vertraute Kanäle wie Emails oder auch ein Telefonat haben sich Lehrer, Kinder und Eltern durch diese Zeit gekämpft.
Zurück im Klassenraum genoss ich die direkte Arbeit mit den Schülern. Erklären, fragen, wieder erklären, selbst probieren, Lösungsideen vergleichen, Möglichkeiten gegenüberstellen, anwenden, …
Und dann dieses Versprechen für das neue Schuljahr - für mich war das eher eine Androhung. Es ist ein Unterschied, z.B. für eine geometrische Konstruktion wirklich einen Zirkel in der Hand zu haben wie die Schüler, oder einen virtuellen zu benutzen oder gar ein grafisches Programm die Aufgabe erledigen zu lassen. Und zum Lernen ist es auch besser, 1000 Punkte selbst in ein Koordinatensystem eingetragen oder abgelesen zu haben als mal schnell zu sehen, wie der besprochene mathematische Zusammenhang dort aussieht.
Seit August ist meine Kreide nun ein Panel-Stift. Natürlich wähle ich meistens den grünen Hintergrund und weiße Stiftfarbe und - was an der Tafel nicht ging - ich kann Kästchen haben. Wie sicher alle Kollegen teste ich immer einmal neue Möglichkeiten aus. Meistens wäge ich aber ab, wofür mir die Unterrichtszeit lieber ist. Denn, arbeiten die Schüler selbstständig und ich bereite an der Tafel etwas vor, ist die Aufmerksamkeit der Schüler bei meinem Lernprozess statt bei ihrem eigenen. Sie sehen bei jedem Kollegen, was dieser ausprobiert und nutzt und haben viele Hinweise.
Aber natürlich blieb es nicht bei einer Neuerung: Unser Arbeitsinstrument ist nun Teams. Also, Funktionen testen, ausprobieren, … wie gehabt. Aber gerade damit ist unser Austausch erheblich gewachsen, eine Frage an das Schwarmwissen der Kollegen genügt. Es ist noch keiner leer ausgegangen: hilfreiche Tipps, eine Verabredung zum gemeinsamen Probieren oder einfach nur der Hinweis, wo weitere hilfreiche Informationen zu finden sind.
Wir alle lernen durch Versuch und Irrtum, ausgehend von den bisher genutzten technischen Möglichkeiten und der persönlichen Technikaffinität. Ich bin froh, dass wichtige eigene Erkenntnisse allen zur Verfügung gestellt werden. Jeder profitiert von Jedem, danke liebe Kollegen.
Jetzt sind wir im zweiten distance learning und schon mit unserer Lernplattform besser vertraut, denn einmal im „Sommersemester“ eingearbeitet, nutzten wir dies nun auch mehr im neuen, normalen Schulalltag.
Und es läuft.
Halten wir kurz inne und machen uns bewusst, dass unsere Schüler mit ihren Eltern in diesem verrückten Jahr den gleichen Herausforderungen gegenüberstanden und sich durchgekämpft haben. Gegenwärtig profitieren wir gemeinsam von den Anstrengungen, manche Hürde werden wir noch nehmen müssen. Auch das noch? – Nein, jetzt erst recht!
Anett Zeun - Lehrerin an der IBB Oberschule und dem IBB Gymnasium
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